Systemische Therapie im Fokus des Traumafachtag 2025
Am 16.05.2025 fand der Traumafachtag „Die Farben des Prismas – therapeutisches Arbeiten mit Systemen“ mit über 80 geladenen Gästen statt.
Unter dem Titel „Die Farben des Prismas – therapeutisches Arbeiten mit Systemen" widmete sich der Traumafachtag am 16.05.2025 der Arbeit mit Systemischer Therapie. In drei Fachvorträgen gingen die Referent:innen auf die Besonderheiten der Systemischen Therapie in der Theorie und Praxis ein und gaben wertvolle Einblicke in ihr Erfahrungsspektrum aus dem Klinik- und Praxisalltag.
Interaktive Vorträge sorgten für begeisterte Teilnehmer:innen
Zum diesjährigen Fachtag konnten wir über 80 geladene Gäste im Gezeiten Haus auf Schloss Eichholz begrüßen, um mit ihnen gemeinsam mehr über den Einsatz Systemischer Therpapie zu erfahren. Feierlich eröffnet wurde der Fachtag von Dr. Susanne Altmeyer, Chefärztin der Trauma- und Tagesklinik auf Schloss Eichholz, die zu Beginn den Titel der Fortbildung aufgriff und betonte, dass alle Farben des Prismas von Beudetung sind.
Mit dem Traumafachtag 2025 gaben wir einen tiefen Einblick in die Theorie und Praxis bei der Behandlung mit Systemischer Therapie, sprachen über therapeutische Leitlinien und mögliche Strategien für sinnvolles Arbeiten mit dissoziativen Störungen. Die Teilnehmer:innen erlebten ein breites Spektrum an interessanten Fachvorträgen, leckeren Köstlichkeiten aus der Schlossküche und genügend Zeit zum kollegialen Austausch und Netzwerken.

Heilung als Gemeinschaftsleistung: Mehrpersonentherapien in der kassenärztlichen Versorgung | Prof. Dr. phil. Christina Hunger-Schoppe
Prof. Dr. phil. Christina Hunger-Schoppe, startete als erste Referentin des Fachtages. Die Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke eröffnete ihren Vortrag mit dem Titel „Heilung als Gemeinschaftsleistung: Mehrpersonentherapien in der kassenärztlichen Versorgung“. Bereits das einleitende Wortspiel „ein (un-)möglicher Vortrag?“ vermittelte einen ersten Eindruck von dem lebendigen und sprachlich gewandten Stil, mit dem sie ihr Thema präsentierte.
Zu Beginn rückte Christina Hunger-Schoppe die zentrale Frage nach der Arbeitsweise in den Fokus: Wer und was inspiriert sie und ihr Team? Welche Werte und Prinzipien leiten ihre therapeutische Praxis? Der Grundgedanke ihres Ansatzes lässt sich mit dem Bild des „Spielens mit Symptomen“ beschreiben, womit ein offener Umgang mit dem, was sich zeigt gemeint ist. Dabei stehen Flexibilität und Nutzen für das System im Vordergrund, welches durch Kontextsensibilität erreicht wird.
Im weiteren Verlauf beleuchtete sie die Grundlagen systemischer Therapie und differenzierte zwischen individuellen und kollektiven Interventionskulturen. Deutlich wurde dabei: Wenn es zu einer Störung in einem sozialen System kommt, ist nie nur eine einzelne Person betroffen. ,,[...] Es ist wichtig alle relevanten Mitglieder eines sozialen Systems mit einzubeziehen - sowohl in die Diagnostik als auch in die Therapie.", erklärt Christina Hunger-Schoppe. Symptome definierte sie als „sozial verhandelte Kommunikations- und Interaktionsmuster im „Zwischen-Uns“ menschlicher Beziehungen“. Diese Muster können in der Therapie wertvolle Hinweise geben und als Ansatzpunkte für Veränderung dienen.

Die Arbeit mit Systemen: individuell und „Zwischen-uns“.
Besonders eindrücklich war ein Fallbeispiel: Ein junges Mädchen, das trotz intensiver Behandlung weiterhin an Gewicht verlor. In einem gemeinsamen Gespräch mit Ärzt:innen, Therapeut:innen und dem Vater offenbarte dieser, dass er seit der Erkrankung seiner Tochter keinen Alkohol mehr trinke. Diese Offenbarung zeigt die komplexe Dynamik innerhalb des Familiensystems auf. Das Mädchen befand sich in einem inneren Dilemma: Eine Verbesserung ihres Zustands hätte möglicherweise das Trinkverhalten des Vaters reaktiviert. Dieses Beispiel veranschaulichte eindrucksvoll, wie durch systemische Therapie nicht nur individuelle, sondern auch zwischenmenschliche Genesungsprozesse angestoßen werden können.
Darüber hinaus belegte Christina Hunger-Schoppe mit verschiedenen Studien die wissenschaftlich fundierte Wirksamkeit der Mehrpersonentherapie. Zudem zeigte sie auf, wie diese im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung umgesetzt werden kann, selbst dann, wenn die Beteiligten aus denselben engen sozialen Systemen stammen. Mit großer Offenheit und Wärme schuf sie einen Raum, in dem Fragen willkommen waren. Diese beantwortete Christina Hunger-Schoppe ausführlich und inspirierend, wobei sie Impulse für eine flexible, beziehungsorientierte und kontextbezogene Gestaltung therapeutischer Prozesse vermittelte.
Arbeiten mit inneren Systemen | Susanne Leutner
Diplompsychologin Susanne Leutner gab in ihrem Vortrag anhand eines Fallbeispiels Einblicke in den therapeutischen Prozess und die Bedeutung der Selbstentwicklung. Eine zentrale Rolle spielte für sie der Aspekt der Begegnung in der Therapie, den sie mithilfe der fünf Prinzipien nach Stevan Hobfoll – Sicherheit, Beruhigung, Hoffnung, Verbundenheit und Selbstwirksamkeit – erläuterte. Erst durch eine solche stärkende Begegnung können therapeutische Ressourcen wirksam werden. Besonders anschaulich verdeutlichte Susanne Leutner die Relevanz des „Begegnungsraums“ in der Traumatherapie. „Die gemeinsame Aufgabe ist die Traumabearbeitung.“, erkärt sie. Was ist der nächstmögliche kleinste Schritt? Welche Anteile trägt der/die Therapeut:in - und welche Anteile bringt der/die Patient mit? Die gemeinsame Gestaltung des therapeutischen Prozesses ist für eine nachhaltige Traumaverarbeitung relevant.

Umgang mit inneren Anteilen
Im abschließenden Teil des Vortrags erläuterte Susanne Leutner auch das Teilemodell, welches den Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen inneren und äußeren Systemen legt, etwa bei elterlichen Ego-States. Belastende Erfahrungen führen oft zu inneren Anteilen, die als Schutzstrategien entstehen: ,,Wenn die Erfahrung sehr belastend ist, kränkend oder demütigend, dann entwickelt man bestimmte Strategien, damit umzugehen. Und aus diesen Strategien können sich dann diese belastenden inneren Anteile herausbilden.“, erklärt Susanne Leutner. Die auslösenden Schlüsselereignisse lassen sich gut über die Ego-State-Arbeit identifizieren und anschließend mithilfe von EMDR verarbeiten.
Systemisches Arbeiten mit Gruppen | Dr. med. Susanne Altmeyer
Im dritten Vortrag des Traumafachtags gab Dr. med. Susanne Altmeyer einen grundlegenden Einblick in die Entwicklung der Systemischen Therapie – mit einem besonderen Fokus auf die Bedeutung von Gruppentherapie. Sie betonte, wie wichtig es sei, ein respektvolles Miteinander in der Gemeinschaft zu üben, gerade im Angesicht von Unterschiedlichkeit. „Wir Menschen lernen am besten über Vorbilder [...] und das ist etwas, was die Patienten auch ansteckt mit der Zeit.“, so Susanne Altmeyer.
Die Kraft der Selbsterfahrung zeige sich besonders eindrücklich in der Gruppenarbeit. Dabei komme der Haltung der Therapeut:innen eine zentrale Rolle zu: Es gehe darum, die individuellen Lebens- und Erfahrungswelten der Betroffenen mit echter Wertschätzung und Anerkennung zu begegnen. Unterschiedlichkeit werde hier nicht als Hürde, sondern als Ressource verstanden – und als Einladung zur persönlichen Entwicklung.

Skulpturarbeit als spürbare Erfahrung
Im interaktiven zweiten Teil ihres Vortrags stellte Susanne Altmeyer die sogenannte Ressourcen-Skulpturgruppe vor, ein etabliertes Format aus der Traumatherapie. Die Methode der Skulpturarbeit, bei der mit Hilfe von Körperpositionen, Symbolen oder Stellvertreter:innen innere Bilder, Beziehungsmuster oder Ressourcen räumlich dargestellt werden, ermöglicht einen intensiven Zugang zu emotional bedeutsamen Themen. In der Gruppe entsteht dadurch ein unmittelbares Erleben – nicht nur des eigenen inneren Systems, sondern auch von Halt, Verbindung und Resonanz in der Gemeinschaft. Die Ressourcen-Skulpturgruppe dient dabei dazu, vorhandene Stärken sichtbar und erfahrbar zu machen und diese gemeinsam zu würdigen.
Save the date | 19.11.2025
Der nächste Fachtag findet in der Gezeiten Haus Klinik Bonn am 19.11.2025 statt. Der Fokus wird auf dem Grundbedürfnis nach Orientierung in der Psychotherapie liegen. Alle Abonennt:innen unseres Newsletters für Einweiser:innen erhalten die Einladung exklusiv.