Reittherapie ermöglicht völlig neue Zugänge
Welche Vorteile die tiergestützte Therapie mit Pferden in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen mit sich bringt.
20.11.2023
LESEZEIT: 4 MINUTEN
KATEGORIE: SCHLOSS EICHHOLZ, KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, REITTHERAPIE
Pferdetherapie in der Kinder- und Jugendpsychotherapie auf Schloss Eichholz
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie auf Schloss Eichholz bietet seit Juni 2021 eine innovative Form der tiergestützten Therapie mit Ponys und Pferden an. In Zusammenarbeit mit dem Ponyhof am Kottenforst setzen die Chefärztinnen Dr. Leonie Drees und Angelika Rieck und ihr Team auf die positive Wirkung der Reittherapie. Realisiert wird diese im Rahmen des multimodalen Therapiekonzepts.
Vorteile der Reittherapie
Ponys und Pferde wirken als Co-Therapeut:innen und beeinflussen die Gesundheit und Lebensqualität der jungen Patient:innen positiv. Die Pferdetherapie schafft eine wertfreie und entspannte Begegnung, insbesondere bei ADHS und Burnout. Pferde sind hochsensible Tiere, die auf die emotionalen Zustände ihrer Umgebung reagieren können. Sie können emotionale Signale aufgreifen und spiegeln, was für die Kinder und Jugendlichen während der Therapie sehr aufschlussreich sein kann. Ein Pferd kann beispielsweise auf Angst, Unsicherheit oder Ruhe reagieren und so dazu beitragen, Emotionen sichtbar zu machen.
Die Interaktion mit Pferden erfordert Achtsamkeit und Gegenwärtigkeit. Pferde reagieren auf subtile körperliche und emotionale Signale, was den Klient:innen helfen kann, sich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren und bewusster mit sich selbst umzugehen. Die Pflege und das Reiten von Pferden erfordern Verantwortung und Engagement. Dies kann Menschen dazu ermutigen, sich um das Wohl anderer zu kümmern und Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen. Der Aufbau einer Bindung zu einem Pferd erfordert Zeit, Geduld und Vertrauen. Dies kann für Menschen, die Schwierigkeiten haben, Beziehungen aufzubauen oder Vertrauen zu entwickeln, besonders wertvoll sein.
Die Bewegungen des Pferdes simulieren auf natürliche Weise die Gehbewegungen des Menschen. Dies kann insbesondere für Kinder mit motorischen Beeinträchtigungen nützlich sein. Die taktile und vestibuläre Stimulation durch das Reiten auf dem Pferd kann außerdem die sensorische Integration fördern, was für Kinder mit sensorischen Verarbeitungsstörungen von Vorteil sein kann. Auch die Herausforderung, auf einem beweglichen Pferd zu sitzen und sich an die Bewegungen anzupassen, kann die Koordination und das Gleichgewicht verbessern.
Für wen ist therapeutisches Reiten geeignet
Therapeutisches Reiten ist ein Bestandteil des umfangreichen Therapieangebotes für Kinder und Jugendliche und kein Ersatz für eine psychotherapeutische Behandlung, sondern wird als Ergänzung zu anderen therapeutischen Ansätzen betrachtet. Hier sind einige Beispiele für Krankheitsbilder, in denen therapeutisches Reiten in der psychischen Therapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf Schloss Eichholz in Betracht gezogen werden kann:
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS):
Die körperliche Bewegung kann zur Regulation von Impulsivität und Hyperaktivität beitragen. Das Reiten erfordert Fokus und Aufmerksamkeit, um Anweisungen der Therapeut:innen zu befolgen und sicher mit dem Pferd zu interagieren. Dies kann die Konzentrationsfähigkeiten von Kindern mit ADHS verbessern und ihnen helfen, sich auf bestimmte Aufgaben zu konzentrieren.
Die Beziehung zwischen dem Kind und dem Pferd sowie die beruhigenden Bewegungen des Pferdes können dazu beitragen, emotionale Regulation zu fördern. Kinder lernen, ihre Emotionen zu erkennen und besser damit umzugehen. Die Interaktion mit dem Pferd und die Teilnahme an einer Gruppen-Reittherapie können die sozialen Fähigkeiten verbessern. Kinder mit ADHS können lernen, sich in einer Gruppe zu integrieren, Teamarbeit zu fördern und kommunikative Fähigkeiten zu entwickeln.
Angststörungen:
Für Menschen mit Angststörungen kann die Interaktion mit Pferden und das Reiten selbst dazu beitragen, Stress abzubauen und die Angst zu verringern. Die ruhige und beruhigende Umgebung eines Reitstalls kann einen unterstützenden Rahmen bieten.
Depression:
Therapeutisches Reiten kann als eine Form der Aktivität und sozialen Interaktion dienen, die dazu beiträgt, die Stimmung zu verbessern. Die Bindung zum Pferd und die positiven Erfahrungen während des Reitens können das emotionale Wohlbefinden fördern.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS):
Für Menschen mit PTBS kann therapeutisches Reiten als Teil einer umfassenderen Traumatherapie dienen. Die beruhigenden Bewegungen des Pferdes können bei der Regulation von Stressreaktionen helfen.
Burnout und Stressfolgeerkrankungen
Menschen, die unter chronischem Stress leiden, können von therapeutischem Reiten profitieren, da es eine entspannende und gleichzeitig aktivierende Aktivität ist. Durch den intuitiven Umgang mit den Tieren kann zudem Selbstvertrauen aufgebaut werden. Dies macht die Pferdetherapie zu einer wertvollen Ergänzung für Menschen, die unter Stressfolgeerkrankungen leiden. Das einfühlsame und nicht urteilende Wesen von Tieren kann beruhigend wirken und eine positive emotionale Erfahrung bieten. Die Interaktion mit Pferden erfordert oft Achtsamkeit und Gegenwärtigkeit.
Erfolge durch therapeutisches Reiten
Die Reittherapeutin arbeitet auf dem Hof mit Kleingruppen von maximal acht Kindern und Jugendlichen aus dem Gezeiten Haus. Sie hat im Laufe ihrer Berufsjahre erfahren, dass es nicht immer einfach ist, als Mensch anderen Menschen zu sagen, ich helfe Dir. Hier können Tiere – zum Beispiel Ponys und Pferde – sehr positiv wirken, weil sie vorbehaltlos auf ihr Gegenüber zugehen und nicht mit Forderungen oder Fragen. Das ermöglicht völlig neue Zugänge.
Inhaltlich wird die tiergestützte Therapie auf die Krankheits- und psychischen Situation der jeweiligen Patient:innen abgestimmt. Je nach Zustand der Patient:innen bedarf es einer unterschiedlichen Gewichtung, beispielsweise in Bezug auf die Kontaktanbahnung zum Pferd oder fürsorgliche Tätigkeiten wie Putzen und das Sauberhalten des Stalles.
Die Erfolge der Reittherapie sind vielfältig und manifestieren sich in einer verbesserten emotionalen Stabilität, gestärktem Selbstbewusstsein und einer positiven Entwicklung sozialer Kompetenzen. Die Reittherapeutin Leonie Drees zeigt sich erfreut über die nachweisbaren Erfolge, die sie bei ihren Patient:innen durch dieses Angebot beobachtet. Am Beispiel des 10-jährigen Tim wird deutlich, wie die Pferdetherapie zu einer bemerkenswerten Veränderung führte. Tim zeigte nach wenigen Sitzungen mehr Selbstvertrauen, konnte Ängste kontrollieren und verbesserte sozialen Fähigkeiten.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Ponyhof, zu dem wir mit unseren Kindern und Jugedlichen zur Reittherapie fahren, bietet freundliche und familiäre Atmosphäre direkt am Kottenforst - ganz auf die Kinder und Jugendliche zugeschnitten. Die zurzeit fünfzehn Ponys erfordern die Pflege und Zuwendung zahlreicher engagierter Helfer:innen. Wichtig ist jedoch die emotionale Grundstabilität derjenigen, die an der Maßnahme teilnehmen. Der stark motivationale Effekt des Angebots ist enorm und führt zu Überlegungen, das Konzept zukünftig weiter auszubauen. Denn es ist auch in den Herbst- und Wintermonaten möglich, da der Ponyhof über eine kleine Reithalle verfügt. Die Kinder und Jugendlichen erleben dort unter Anleitung einer Pferdetherapeutin eine völlig neue Welt, die eine ganz besondere Wirkung auf sie hat und für uns zu einem wichtigen Baustein unserer Arbeit geworden ist, so Leonie Drees erfreut über die therapeutischen Erfolge, die sie durch dieses Angebot bei ihren Patient:innen beobachtet.