Ist Kunsttherapie Psychotherapie?

Die Kunsttherapie kann im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung eine Begleitung in Form kreativer Prozesse sein. Frau Haase erzählt mehr zur Kunsttherapie.

18.09.2023

LESEZEIT: 3 MINUTEN

KATEGORIE: KUNSTTHERAPIE, THERAPIEANGEBOTE

 

Was verstehen wir eigentlich unter Kunsttherapie?

Wir sprechen von Kunsttherapie, wenn mit bildnerischen Materialien wie Farben, Ton, Holz oder auch Stein kreativ im Rahmen einer Psychotherapie gearbeitet wird. Der Gestaltungsprozess ist dabei im therapeutischen Sinne wichtiger als das fertige Werk. Erlebnisse und Emotionen während des schöpferischen Prozesses spielen eine große Rolle. Es geht mit der kreativen Betätigung nicht darum, ein Kunstwerk zu erschaffen, sondern um die Möglichkeit, in Kontakt mit unbewussten Inhalten und körperlichen Empfin-dungen zu kommen, zu assoziieren und schließlich zu bearbeiten.

Was passiert während der Kunsttherapie?

Während des kreativen Prozesses geht es um ein „Sich Ausdrücken und Ausprobieren“, um ein angstfreies Tun ohne Leistungsorientierung. Durch den aktiv gestalterischen Prozess lernen die Patient*innen sich selber besser kennen und entdecken ihre kreativen Fähigkeiten während des künstlerischen Prozesses wieder. Die Offenheit und Neugier, die sie bereits als Kind hatten, wird aktiviert. Dadurch wer-den Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen gestärkt. Die Patient*ìnnen erleben sich wieder als handlungsfähig. Es öffnen sich Perspektiven auf ihr äußeres Umfeld und innerpsychische Zustände, die dann wiederum in der Psychotherapie genutzt werden können. Die Auseinandersetzung mit dem Umfeld, der Wirklichkeit und der Phantasie als Darstellung des inneren Prozesses sind wesentliche Aspekte der Kunsttherapie. Am Ende steht das Ziel, den Heilungsprozess zu unterstützen. Ein sehr wichtiger und grundsätzlicher Aspekt ist dabei die Tatsache, dass die entstehenden Werke gemeinsam betrachtet und besprochen, jedoch nicht bewertet werden.

Wie funktioniert diese Therapieform, welche Rolle spielt die Therapeut*in?

Das ist eine interessante Frage, die ich gern versuche näher zu erläutern. Durch die Kunstwerke entsteht ein Kontakt zwischen Patient*in, Therapeut*in demzufolge kommt es immer zu einer Interaktion, entweder im Einzelgespräch oder aber auch in der Gruppe. So bildet die Therapie quasi ein Beziehungsdreieck, auch als kunsttherapeutische Triade bezeichnet. Die drei Ebenen sind dabei folgende:

die Gestaltung des Kunstwerks als Ausdrucksform und Selbstauseinandersetzung, die Beziehung zwischen Patient*in und Therapeut*in und die Deutung des erschaffenen Werkes.

Die Besonderheit ist vor allen Dingen die Möglichkeit des nonverbalen Austausches über das künstlerische Medium im Gegensatz zur Gesprächstherapie. So kann auch Unaussprechliches Raum finden oder Gefühle, zu denen man sprachlich nicht in Kontakt kommt, sichtbar gemacht werden.

Gibt es wissenschaftliche Grundlagen und Verfahren?

Die klassische Kunsttherapie bedient sich verschiedener Praktiken und Disziplinen. Darunter finden wir z.B. auch die Lehre von C.G. Jung (1875-1961, Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie). Sie wendet interdisziplinäre Methoden und kreative Verfahren an, nutzt aber auch Grundlagen der Psychoanalyse und Verhaltenstherapie. Zudem spielen Erkenntniswissenschaften wie sys-temische Verfahren eine Rolle. Moderne Ansätze binden auch neueste Erkenntnisse der Gehirnforschung ein.

Warum passt dieses Angebot so gut in das Gezeiten Haus Konzept?

Da wir davon ausgehen, dass Krankheitsbildern immer auch Ursachen zugrunde liegen, deren Erforschung eine tiefere Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie erfordern, eignen sich kunsttherapeutische Verfahren besonders gut bei psychischen Störungen und in krisenhaften Situationen. Sie tragen dazu bei, die Wahrnehmung der Patient*innen zu verändern und die Fixierung auf ihre Erkrankung/ ihre Symptome zu lösen. Die ressourcenaktivierende Wirkung hilft zusätzlich dabei, eigene Wünsche und Ziele zu erkennen und möglicherweise sogar Antworten auf die Frage zu finden „Wer bin ich?“

Für wen kommt eine solche Kunsttherapie als Therapieangebot in Frage?

Kunsttherapie ist für alle Menschen geeignet, auch für diejenigen, die ihrer eigenen Meinung nach künstlerisch unbegabt sind. Sie bietet durch ihre vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten eine Fülle von Optionen. Für mich gilt hierbei nach langjähriger Erfahrung immer noch der Leitsatz: „Es kann greifbar werden, wofür Worte oft alleine nicht ausreichen!“ Das macht diese Therapieform so besonders.

Fazit

Kunsttherapie ist eine effektive ergänzende Therapieform zur Psychotherapie. Sie bietet einen kreativen Ansatz zur Bewältigung von emotionalen und psychischen Herausforderungen. Die therapeutische Nutzung von Kunst ermöglicht es den Menschen, ihre Gefühle auszudrücken und unbewusste Konflikte zu erkunden, ohne zwangsläufig über Worte sprechen zu müssen. Kunsttherapie kann dazu beitragen, das Selbstbewusstsein zu stärken, Stress abzubauen und die Kommunikation zu verbessern. Insgesamt ist Kunsttherapie eine wertvolle Unterstützung für Menschen auf ihrem Weg zur emotionalen Heilung und Selbstentfaltung und wichtiger Bestandteil im Behandlungskonzept der Gezeiten Haus Kliniken.

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