Die Unsichtbare Last: ADHS im Erwachsenenalter

Leben mit dem Chaos im Kopf

24.01.2024

LESEZEIT: 5 MINUTEN

KATEGORIE: MENTALE GESUNDHEIT, ADHS

ADHS im Erwachsenenalter: Einleitung und Überblick

ADHS, oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, ist ein neurologisches Störungsbild, das in der gesellschaftlichen Wahrnehmung häufig mit Kindern und Jugendlichen assoziiert wird. Die genauen Ursachen von ADHS sind wissenschaftlich noch nicht vollständig verstanden. Als gesichert gilt, dass ADHS durch eine Vielzahl an Faktoren begünstigt wird. 

  • Genetische Veranlagung durch Vererbung
  • Umwelteinflüsse 
  • Veränderte Gehirnstruktur insbesondere die Bereiche Verhaltenssteuerung und Aufmerksamkeit
  • Ungleichgewicht in der Hirnchemie (Neurotransmitterbereich)

In der Gesellschaft häufig als „Zappelphilipp-Syndrom“ bezeichnet, verspüren viele Betroffene Scham oder erleben aufgrund ihrer nicht gesellschaftlich angepassten Verhaltensweisen einen enormen Leidensdruck. ADHS-Betroffene berichten deshalb oft auch von großer Erleichterung, wenn sie mit ADHS diagnostiziert werden. Denn wichtig ist, dass ADHS keine Folge von schlechter Erziehung, mangelnder Intelligenz oder persönlichem Versagen ist. ADHS ist keine Störung im herkömmlichen Sinne. Es ist eher wie ein anderes Betriebssystem im Gehirn. Es ist eine Art „Wahrnehmungszustand“, der die Betroffenen das gesamte Leben begleitet. Eine „Heilung“ der neurologischen Störung ist nicht möglich. Für viele Betroffene bedeutet dies, mit einem ständigen "Chaos im Kopf" zu leben, das verschiedene Lebensbereiche beeinflusst.

Menschen, die im Erwachsenenalter mit ADHS leben, können eine Vielzahl von Herausforderungen erleben, die von Unruhe und Impulsivität bis hin zu Schwierigkeiten bei der Konzentration reichen. Gleichzeitig belegen Forschungsstudien, dass ADHS-Betroffene oft über kreative Denkweisen und einen ausgeprägten Sinn für Innovationen verfügen. Ihre Gehirne sind sozusagen in einem ständigen Suchmodus nach neuen Reizen, was zu unkonventionellen Ideen führen kann.
Die Anzeichen von ADHS bei Erwachsenen sind nicht immer so offensichtlich wie bei Kindern und Jugendlichen. Nicht selten bleibt deshalb ADHS bei Erwachsenen auf den ersten Blick unentdeckt, wenn Anzeichen auf ADHS im Kindes- oder Jugendalter nur schwach ausgeprägt bzw. wahrgenommen werden. 

Die Auswirkungen von ADHS auf die Lebensqualität der Betroffenen sind vielfältig. Die Akzeptanz und das Verständnis für die Herausforderungen, mit denen Betroffene konfrontiert sind, spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung einer unterstützenden Umgebung.

Kindheit versus Erwachsenenalter: ADHS im Spannungsfeld der Lebensphasen

ADHS zeigt sich auf unterschiedliche Weise, abhängig vom Lebensabschnitt des Betroffenen. Im Kindesalter stehen häufig hyperaktive und impulsive Verhaltensweisen im Vordergrund. Kinder mit ADHS neigen dazu, ständig in Bewegung zu sein, haben Schwierigkeiten, still zu sitzen und handeln oft impulsiv, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Die Herausforderungen in der Schule, wie Unaufmerksamkeit und Schwierigkeiten beim Organisieren von Aufgaben, sind ebenfalls häufige Anzeichen.

Im Gegensatz dazu zeigen sich die Symptome bei Erwachsenen möglicherweise nicht so auffällig. Die Hyperaktivität kann mit fortschreitendem Alter nachlassen, aber innere Unruhe bleibt in der Regel bestehen. Erwachsene mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe zu richten, können impulsiv reagieren und haben Mühe, ihren beruflichen wie auch privaten Alltag zu organisieren.

Ein wichtiger Unterschied liegt in der Art der Beeinträchtigungen, die ADHS in verschiedenen Lebensphasen hervorrufen kann. Bei Kindern stehen schulische Schwierigkeiten und soziale Herausforderungen im Fokus, während Erwachsene mit ADHS oft mit beruflichen Problemen, Beziehungsschwierigkeiten und einem erhöhten Risiko für begleitende psychische Gesundheitsprobleme, wie z.B. Depressionen, konfrontiert sind.

Die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter konzentriert sich oft auf eine individuell angepasste Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie, ressourcenstärkender Körpertherapie und in einigen Fällen Medikamenten. Zudem ist die richtige Unterstützung und Aufklärung nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch ihren Familien wichtig, um mit den Herausforderungen umzugehen, die ADHS im Erwachsenenalter mit sich bringt.

Wenn Gedanken wild tanzen: ADHS-Symptome im Erwachsenenalter

Viele Betroffene haben bereits einen langen Leidensweg hinter sich, weil es oft bisher keine passende Erklärung für bestimmte Verhaltensweisen und Besonderheiten gab. Gleichzeitig lastet oft ein großer Druck auf ihnen, Beziehungen drohen zu zerbrechen oder berufliche Probleme nehmen Überhand.

ADHS, ursprünglich als Kindererkrankung angesehen, kann im Erwachsenenalter eine Reihe charakteristischer Symptome aufweisen. Obwohl diese Symptome möglicherweise nicht so offensichtlich sind wie bei Kindern und Jugendlichen, können sie dennoch erhebliche Auswirkungen auf das tägliche Leben der Betroffenen haben.

Diagnose und Therapie bei ADHS: Schlüssel zu einem ausgewogenen Erwachsenenleben

Die Diagnose von ADHS ist vergleichbar mit dem Zusammensetzen eines Puzzles. Persönliche Berichte, Beobachtungen und Fragebögen werden methodisch kombiniert.

ADHS zu diagnostizieren, erfordert eine sorgfältige Beurteilung durch erfahrene Fachleute, um die Vielfalt der Symptome zu verstehen und andere mögliche Ursachen auszuschließen. Die Diagnostik umfasst in der Regel eine umfassende Anamnese, einschließlich der Lebensgeschichte des Betroffenen und der Beobachtung von Verhaltensweisen in verschiedenen Kontexten sowie psychologischer Testungen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Diagnose von ADHS bei Erwachsenen oft herausfordernder ist als bei Kindern, da die Symptome subtiler sein können.

Ein wichtiger Bestandteil der Diagnose ist die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung im täglichen Leben, sei es im beruflichen Umfeld, in zwischenmenschlichen Beziehungen oder in anderen Lebensbereichen. Die Zusammenarbeit mit Angehörigen und anderen relevanten Personen unterstützt in der Regel eine umfassende Diagnostik, um ein umfassendes Bild der Symptome zu zeichnen.

Die Behandlungsmöglichkeiten für ADHS im Erwachsenenalter sind vielfältig und sollten jeweils individuell für jeden Betroffenen angepasst werden. Verhaltenstherapie, die darauf abzielt, konkrete Strategien für den Umgang mit Symptomen zu entwickeln, ist oft ein zentraler Bestandteil der Behandlung. Hierbei wird auf eine positive Ressourcenaktivierung hingearbeitet, denn diese ist für Betroffene besonders wichtig, da ADHS-Betroffene meist ihre Ressourcen nicht oder nur beschränkt wahrnehmen können.

Körpertherapie, insbesondere Bewegungstherapie und Entspannungstechniken, beeinflusst Betroffene sehr positiv. Die Integration von körperlichen Aktivitäten in den Alltag kann helfen, die Unruhe zu reduzieren und die Konzentration zu fördern. Gleichzeitig trägt eine gesunde Lebensweise, die aus ausausreichend Schlaf, regelmäßiger Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung besteht, dazu bei, die Gesamtsymptomatik zu verbessern.

In einigen Fällen kann auch die Verwendung von speziellen Medikamenten in Erwägung gezogen werden. Diese auf ADHS abgestimmten Medikamente zielen darauf ab, die Konzentration zu verbessern und impulsives Verhalten zu reduzieren. Die Entscheidung für oder gegen eine medikamentöse Behandlung sollte jedoch sorgfältig unter immer unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Risiken in enger Rücksprache mit einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie getroffen werden.

Diagnose und Behandlung bei ADHS erfordern eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und ihrem therapeutischen Team. Es ist wichtig, dass individuelle Bedürfnisse berücksichtigt werden, und dass eine ganzheitliche Herangehensweise angenommen wird, die sowohl psychotherapeutische, körpertherapeutische, achtsamkeitsbasierte als auch ,bei Notwendigkeit im Einzelfall, medikamentöse Ansätze umfasst.

Die fortlaufende Forschung und Weiterentwicklung von Therapieansätzen und Medikationsoptionen unterstreichen die Bedeutung einer individualisierten Herangehensweise an die Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter. Durch die Kombination von Verhaltenstherapie, Körpertherapie und in bestimmten Fällen der Einsatz von Medikamenten, können Betroffene Werkzeuge erlernen, um ihre Symptome zu bewältigen und eine verbesserte Lebensqualität zu erreichen. Dort wo eine ambulante Behandlung nicht ausreichend ist, ist es sinnvoll über einen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik oder Tagesklinik nachzudenken. Diese Settings gewährleisten eine multiprofessionelle Behandlung mit Elementen aus den dargestellten Therapieformen.

Alltagsstrategien für ein besseres Leben mit ADHS

Im täglichen Leben mit ADHS können erlernte Alltagsstrategien einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität leisten. Neben den therapeutischen Ansätzen, die im vorherigen Kapitel besprochen wurden, spielen auch eben diese persönlichen Strategien eine wichtige Rolle.

Fazit: Ein selbstbestimmtes Leben mit ADHS

ADHS im Erwachsenenalter ist kein Hindernis für ein selbstbestimmtes Leben. Mit der richtigen Unterstützung und Strategie können Betroffene Ihre Stärken nutzen und Schwächen ausgleichen. Es geht darum, den Alltag zu strukturieren, Ablenkungen zu minimieren und sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Die Bedeutung einer differenzierten Diagnose und einer individualisierten Behandlung steht hierbei im Mittelpunkt. Wichtige Ansätze zum Umgang mit ADHS sind Achtsamkeitstechniken, strukturierte Tagesabläufe und sowohl ambulante als auch, wenn notwendig, Unterstützung in einer Klinik. ADHS ist eine neurobiologische Störung und nicht das Resultat persönlichen Versagens oder schlechter Erziehung. Deshalb ist es wichtig, sich selbst nicht zu verurteilen und zu erkennen, dass jeder Mensch einzigartig ist. Mit ADHS ist es genauso möglich, glücklich und erfolgreich zu sein. Es geht nicht darum, "normal" zu sein, sondern darum, das Beste aus sich selbst herauszuholen. ADHS-Betroffene sind mehr als Ihre Diagnose. Mit den richtigen Werkzeugen und der richtigen Einstellung können sie ein sehr erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen.

Unsere Fachkliniken, in denen wir ADHS behandeln:

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