Behandlungsangebot der Queer-Affirmativen Psychotherapie im Gezeiten Haus

Ursachen, Hintergründe und Behandlungsansätze psychischer Erkrankungen queerer Menschen

08.11.2023

LESEZEIT: 3 MINUTEN

KATEGORIE: INTERVIEW, QUEER-AFFIRMATIVE PSYCHOTHERAPIE

 

Interview mit Maria Balfer, Psychologische Psychotherapeutin und zuständige Expertin im Thema Queer-affirmative Psychotherapie in der Psychosomatischen Tagesklinik Schloss Eichholz. Die Erfahrung, lesbisch, schwul, bisexuell, trans, inter bzw. in irgendeiner Weise queer zu sein und damit von der gesellschaftlichen Norm abzuweichen, geht mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen und Suizidalität einher. So sind queere Menschen deutlich häufiger von depressiven Erkrankungen, Traumafolgestörungen, Angststörungen und Substanzabhängigkeiten betroffen. Wir betrachenten in unserem Blogbeitrag Ursachen und Hintergründe sowie die Behandlungsansätze in unserer Gezeiten Haus Tagesklinik in Wesseling.

Was sind die häufigsten Ursachen für psychische Erkrankungen queerer Menschen?

Die Ursachen hierfür liegen vor allem im Minoritätenstress. Dieser Begriff beschreibt die Kombination aus äußeren Stressoren wie tatsächliche und befürchtete Diskriminierungserfahrungen bzw. den lebenslangen Prozess des Outings einerseits und den inneren Stressoren andererseits.

Ursachen von Minoritenstress können sein:

  • Diskrimminierung und Vorurteile
  • Soziale Isolation
  • Miderheitenstressoren, z.B. Angst vor Gewalt und Diskrimminierung
  • Intersektionale Belastungen
  • Ungleichheit und strukturelle Benachteiligungen

 

So wachsen queere Menschen mit der Erfahrung auf, nicht der Norm zu entsprechen und internalisieren daraufhin nicht selten eine abwertende Haltung gegenüber ihrer eigenen Identität (internalisierte Homo-/Bi-/Transphobie). 

Zusätzlich leben sie mit dem beständigen Stress, sich in bestimmten Situationen verstecken zu müssen oder sich dem Prozess des Outings sehr bewusst stellen zu müssen.

Auch können sie nur bedingt auf vorgegebene Lebensentwürfe zurückgreifen wie z.B. die Familiengründung mit Zeugung von Kindern als wichtiger Meilenstein und müssen daher wichtige Bewältigungsmodi von Schwellensituationen im Leben immer wieder neu für sich erfinden.

Die Biografien queerer Menschen weisen außerdem eine weitaus höhere Dichte traumatischer Erfahrungen auf, die innerfamiliäre Gewalt aufgrund des Queerseins ebenso einschließen kann wie den Schock einer AIDS-Diagnose.

Was sind die Hintergründe für interkulturelle Verständigungsschwierigkeiten zwischen Patient*innen und Behandler*innen?

Nicht selten werden ihre Lebensentwürfe und Identitäten abgewertet und pathologisiert bzw. kurzerhand zu Resultat oder auch Ursache ihrer psychischen Erkrankungen ernannt. Aber auch, wenn eine solche explizite Pathologisierung unterbleibt, kommt es häufig zu „interkulturellen“ Verständigungsschwierigkeiten zwischen LSBT:IQ Patient*innen und cis-heterosexuellen Behandler*innen, die mit der Lebenswelt queerer Patient*innen häufig nicht vertraut sind. Das ist nachvollziehbar, denn wer kann ermessen, wie tiefgreifend die Erfahrung des „Andersseins“ das Leben und das Selbstverständnis der queeren Menschen prägt. Ebenso treffen queere Lebensmodelle und Identitätsbeschreibungen auch im psychotherapeutischen Kontext nicht selten auf Überraschung und manchmal auf Unverständnis, müssen erklärt und gerechtfertigt werden. Das beeinflusst die Qualität der psychosomatisch-psychiatrischen Behandlung notwendigerweise. Dem tragen auch die Leitlinien und Behandlungsempfehlungen von Fachgesellschaften und Expert*innen in diesem Bereich Rechnung, die mittlerweile durchgehend eine affirmative, d.h. akzeptierende und ermächtigende Haltung gegenüber queeren Patient*innen fordern. Zwar gibt es insbesondere in Großstädten mittlerweile einige Psychotherapeut*innen, die sich aus dieser Haltung heraus auf die ambulante Behandlung queerer Menschen spezialisiert haben. Psychosomatisch-psychiatrische teilstationäre Angebote mit einer dezidiert affirmativen Ausrichtung dagegen bilden derzeit noch eine große Versorgungslücke.
Diese Erkenntnisse in Bezug auf die besonderen Bedürfnisse von LSBT:IQ Patient*innen bilden den Hintergrund unseres spezifischen Angebots der queer-affirmativen Psychotherapie in der Tagesklinik des Gezeiten Hauses Schloss Eichholz. Dieses Angebot bietet LSBT:IQ Menschen, die eine psychosomatisch-psychiatrische tagesklinische Behandlung benötigen, einen Behandlungsrahmen, in dem sie diskriminierungsfrei und wertschätzend behandelt werden und sich durch ein besonders geschultes Behandler*innenteam mit ihren spezifischen Erfahrungen gut aufgehoben fühlen können.

Wie sieht das Behandlungsangebot der Queer-Affirmativen Psychotherapie in der Tagesklinik auf Schloss Eichholz aus?

Das Basiskonzept der Psychotherapie in unserer Gezeiten Haus Tagesklinik sieht eine individualisierte psychosomatische, multimodale, leitlinienorientierte  Komplexbehandlung vor. Den Kern der Behandlung bilden das ärztlich, psychiatrisch, psychosomatische Gespräch sowie die hochfrequente Richtlinien-Psychotherapie im Einzel- und Gruppenkontext. Indikationsgeleitete Psychopharmakotherapie, spezielle Schmerztherapie sowie achtsamkeitsbasierte Körper- und Bewegungstherapien werden durch kreativtherapeutische Behandlungselemente wie Musik-, Kunst- und Gestaltungstherapien ergänzt.


Aus dem Bereich der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) werden insbesondere d folgende Verfahren angewendet:

  • Akupunktur im Rahmen einer ganzheitlichen Schmerztherapie 
  • Tunia-Massagen als wirksame Elemente zur Verbesserung der Körper- und Emotionswahrnehmung und zur Spannungsregulation sowie Schmerzreduktion eingesetzt. 
  • Qi Gong in Form eines regelmäßigen Trainings zur körperlichen Balancierung gepaart mit
  • Meditations- und Entspannungsverfahren


Zusätzlich zu den bereits skizzierten Behandlungselementen beinhaltet das Therapiekonzept queer-affirmative Psychotherapie eine spezifische Therapiegruppe mit maximal acht Patient*innen, die den spezifischen Herausforderungen für queere Menschen in besonderer Weise Rechnung trägt. Dieses Angebot orientiert sich an affirmativen bzw. queer-feministischen Ansätzen, so dass vor allem die Stärkung des Selbstwertgefühls angesichts von Diskriminierung und die Distanzierung von queerfeindlichen Introjekten, d.h. die Integration der eigenen queeren Identität in ein positives Selbstkonzept im Vordergrund stehen.


Das Behandlungskonzept umfasst zusätzlich neben dem Modul der Einzelpsychotherapie und somatischer Versorgung auch das Modul der Gruppentherapie, idealerweise zu queer-spezifischen Themen wie Empowerment, Umgang mit Diskriminierung, queerer Elternschaft in Regenbogenfamilien etc..


In der Einzeltherapie kann eine große Bandbreite von Themen von der behutsamen Begleitung im Coming-Out-Prozess, der gemeinsamen Exploration der eigenen Geschlechtsidentität jenseits des Binären bis hin zur traumatherapeutische Bearbeitung von Diskriminierungserfahrung mittels EMDR in den Fokus genommen werden. Weitere zentrale Elemente sind die Psychoedukation zu den Zusammenhängen zwischen psychischer Gesundheit und Minoritätenstress. Ergänzt werden diese Elemente durch behutsame, dysphoriesensible Körpertherapie, in der akzeptanzstärkende Ansätze einen zentralen Raum einnehmen.

Die Familienaufstellungsgruppe bietet darüber hinaus die Gelegenheit, zentrale Dynamiken in der Ursprungs- und Aktualfamilie, wie z.B. Schwierigkeiten, die durch den Status der Co-Mutterschaft oder Co-Vaterschaft entstehen, aufzuarbeiten. Dabei ist ein emanzipatorischer, ganzheitlicher und individueller Blick auf die persönliche Lebensgeschichte zentral, bei der sich parallel integrativ und intensiv sowohl der körperbezogenen als auch der psychischen Problematik gewidmet wird.


Ergänzt wird unser Behandlungsangebot in der Gezeiten Haus Tagesklinik in Wesseling durch die Vernetzung mit ambulanten Fachärzt*innen und Therapeut*innen, die sich auf die Behandlung queerer Menschen (inklusive der Begleitung von geschlechtsangleichenden Maßnahmen) spezialisiert haben sowie mit Kontakten zu Selbsthilfe- und Beratungseinrichtungen.

Fazit

Queere Menschen sind einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen ausgesetzt, aufgrund von äußeren und inneren Stressoren wie Diskriminierung und internalisierter Homo-/Bi-/Transphobie. Die Tagesklinik des Gezeiten Hauses Schloss Eichholz bietet eine queer-affirmative Psychotherapie an, die auf den Leitlinien der Fachgesellschaften basiert. Die Behandlung umfasst ärztliche und psychotherapeutische Gespräche, Einzel- und Gruppenpsychotherapie, Psychopharmakotherapie, kreativtherapeutische Elemente und Traditionelle Chinesische Medizin. Das Ziel ist die Stärkung des Selbstwertgefühls und die Integration der eigenen queeren Identität in ein positives Selbstkonzept. Sollten Sie Interesse an diesem speziellen Behandlungsangebot der queer-affirmativen Psychotherapie haben, zögern sie nicht uns zu kontaktieren. Infomieren Sie sich unverbindlich bei unserer Beratung über konkrete Details und Aufnahmemodalitäten. Je nach Schweregrad der Erkrankung sowie des individuellen Therapieverlaufs sollten Sie mit einer Verweildauer von sechs bis zehn Wochen rechnen.

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