Vertrauen und Sicherheit - Pflege in der Psychotraumatologie

Die wichtige Rolle der Pflegekräfte

12.05.2023

LESEZEIT: 5 MINUTEN

KATEGORIE: UNTERNEHMEN, TRAUMAKLINIK, PFLEGE

 

Der Pflegeberuf hat sehr viele Facetten, je nach Behandlungsfeld und Klinikschwerpunkt können diese sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Wie wir als Gezeiten Haus damit umgehen und was das Besondere unseres Verständnisses von Pflege in einer auf Psychotraumatologie spezialisierten Klinik in Schloss Eichholz ist, erläutern wir anhand eines Interviews mit der Leiterin des dortigen Pflegeteams.

 

Das Pflegeteam der Traumaklinik in Schloss Eichholz wird von zwei erfahrenen Persönlichkeiten geleitet. Günther Kraus (Leiter) und Silvia Lang (Leiterin) sind seit Eröffnung der Klinik im Mai 2016 ein eingespieltes Team. Gemeinsam mit Silvia wollen wir das Berufsbild der Pflege näher beleuchten.

Ausgehend von der Erfahrung, dass Patienten*, die in eine Traumaklinik kommen, besonders sicherheits- und schutzbedürftig sind, bedarf es auch eines Pflegeteams, das dieses Bedürfnis abbildet. „Denn erst, wenn das Gefühl von Sicherheit und Stabilität auch wirklich empfunden wird, kann therapeutisch erfolgreich gearbeitet werden“, meint Silvia.

Eine wesentliche Aufgabe der Pflege sei daher die Beziehungs- und Vertrauensgestaltung mit den Patienten. Dazu benötigen die Pflegenden ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, Zuwendungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen, aber auch gute kommunikative Fähigkeiten. Als Schnittstelle zwischen Ärzten/Therapeuten und Patient ist das Pflegeteam zentraler Ansprechpartner und stabile Basis, eine ständige Bezugsquelle während des gesamten Aufenthaltes. Dies gilt 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche, auch in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen.

„Weil sich die Pflege als Teil des Therapiekonzeptes in hohem Maße an unserem Leitbild orientiert, haben wir in unserem Team viele Kolleginnen und Kollegen mit einer hohen Identifikation“ fährt Silvia fort. Ihre Wertvorstellungen und ihre Haltung zum Menschen und zum Leben allgemein sowie ihre Auffassung von Erkrankungen prägen ihre Arbeit in positiver Weise. Sie entfalten somit zugleich eine direkte Wirkung auf die Patient*innen und ihre Wege der Heilung.

Voraussetzung für eine derartige Wirksamkeit seien zum einen eine fundierte Ausbildung, gutes Fachwissen, Professionalität sowie persönliche Erfahrungen mit Krankheiten und Krisen. Zum anderen profitiere die Beziehung von der Fähigkeit zur Selbstreflektion. Im achtsamen Dialog mit sich selbst sein, eigene Gefühle und Resonanzen in Begegnungen mit Patient*innen spüren und diese bei Bedarf zur Klärung im Team oder bei Supervisionen zum Ausdruck zu bringen – all dies sei sehr hilfreich bei der fordernden Arbeit und trage enorm zur Teamstabilität bei, so Silvia.

Denn auch die Patienten seien sehr besonders, gerade wenn es um Wahrnehmung von Schwingungen gehe. Ihre ausgeprägten Antennen lassen sie Unstimmigkeiten oder Spannungen im Team spüren. Die daher erforderliche Teamhygiene trage jedoch sehr positiv zur Offenheit und Authentizität im Team bei, woraus wiederum ein großes Zusammengehörigkeitsgefühlt resultiere. 

Wie die Begleitung der Patienten dauerhaft gelingen kann

Empathie, Annahme, Wertschätzung und die Anerkennung der Individualität und Lebensleistung der Patienten sind die Basis des therapeutischen Prozesses auf Augenhöhe. „Allein die zum Teil neuen Erfahrungen von Bindung und Vertrauen lassen unsere Patient*innen idealerweise zur Ruhe kommen, machen Ihnen gleichzeitig aber auch Mut und motivieren“, so Susanne Altmeyer, Chefärztin der Traumaklinik, über die Voraussetzungen einer heilsamen Traumatherapie. Vor diesem Hintergrund sei es umso bedeutender, dass Ärzte Therapeuten und Pflegeteam an einem Strang ziehen.

Es gehöre zum Stationsalltag, die Krisen und Nöte aller Patienten zu bewältigen. Das funktioniere nur, weil Profis am Werk seien, die ausreichend Handwerkszeug und Erfahrung mitbringen. Außerdem gebe es für das Team regelmäßig interne Fachfortbildungen, so dass das Wissensspektrum stetig erweitert wird.

Doch selbst ein wirklich belastbares Team sei dauerhaft nur funktionsfähig, wenn ausreichend Flexibilität und Bereitschaft zum „Einspringen“ vorhanden sei. Fest stehe, dass Planungssicherheit im Pflegeberuf mit seinem Schichtdienstmodell nicht existiere. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei auch die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung. Dazu noch einmal Silvia: „Da der berufliche Umgang mit schwer traumatisierten Menschen einen guten Ausgleich braucht, gibt es bei uns im Team keine Vollzeitbeschäftigen. Jeder Tag ist wie eine ,Schatzkiste“ mit Überraschungen’. Um den daraus resultierenden Anforderungen gerecht werden zu können, sollte ausreichend Energie vorhanden sein.“

Das Besondere der Gezeiten Haus Pflege

Ein wichtiger Aspekt des Gezeiten Haus Verständnisses von Pflege sei die Unterstützung beim Erlernen und Anwenden von Strategien und Fähigkeiten zur Selbstwirksamkeit. In beiden Säulen des therapeutischen Angebots – den psychotherapeutischen Einzelgesprächen sowie den körpertherapeutischen Gruppen – werden Methoden zur Selbstregulation angeboten. Diese werden auch durch das Pflegeteam unterstützt. Das Spektrum ist dabei vielfältig: Es reicht von der Anleitung zu Atem- Qi Gong- und Klopferübungen über Aromaölanwendungen bis hin zum Einsatz von Entspannungstechniken, um nur einige zu nennen. Auch dabei liege der Fokus immer darauf, das für den Patienten im Moment Passende zu finden, oft eingeleitet mit der Frage: Was brauchen Sie jetzt?

Das Schöne an den vielen Facetten der Arbeit im Gezeiten Haus sei zudem, dass alle Kollegen sich in ihrer zusätzlichen Kompetenz mit einbringen könne, um Patienten zu unterstützen, so dass auch Angebote wie Jonglieren, Sozialberatung, Gestaltungstherapie oder Kinesiologisches Taping ihren Platz haben.

All das spielt sich während des normalen Stationsalltags ab, der eine Reihe weiterer Aufgaben und Tätigkeiten umfasst. Am Ende gehe es oft einfach darum, auch in krisenhaften Situationen Ruhe zu bewahren und den Humor nicht zu verlieren, äußert Silvia. Eine große Portion Leidenschaft, Engagement und Flexibilität sollten auf jeden Fall dabei sein, um diesen Beruf langfristig und zur Zufriedenheit aller Beteiligten ausüben zu können.

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