Die Tagesklinik bietet eine Reihe von Vorteilen

Interview mit dem Leitenden Oberarzt Dr. Dennis Schmitz der Tagesklinik im Gezeiten Haus Schloss Eichholz

27.03.2023

LESEZEIT: 8 MINUTEN

KATEGORIE: UNTERNEHMEN, TAGESKLINIK

AUTOR: ELENA ETTLIN

Neben dem stationären Klinikaufenthalt haben Patienten* im Gezeiten Haus – je nach Krankheitsbild und Diagnose – die Möglichkeit, das Angebot einer Tagesklinik zu nutzen. Sowohl auf Schloss Eichholz als auch in Oberhausen werden entsprechende tagesklinische, auch teilstationär genannte, Behandlungen angeboten. Dr. Dennis Schmitz, Leitender Oberarzt der Tagesklinik im Gezeiten Haus Schloss Eichholz, erläutert das Besondere dieser Angebote und wer sie in welcher Form nutzen kann.

 

Was unterscheidet tagesklinische Angebote von einem vollstationären Klinikaufenthalt?

Dennis Schmitz: Tagesklinische Angebote können einen Betreuungsbedarf erfüllen, der für eine rein ambulante Versorgung zu hoch wäre, aber noch keine Aufnahme in eine vollstationäre Einrichtung notwendig macht. Der Unterschied zum vollstationären Klinikbetrieb liegt vor allem darin, dass die Patientinnen und Patienten sich tagsüber in einer multimodalen, hochintensiven Behandlung befinden und ihre Abende und Wochenenden selbst gestalten.

 

Wann ist denn eine tagesklinische Behandlung angeraten?

Dennis Schmitz: Wenn bei Menschen mit einer diagnostizierten psychischen Krankheit die Behandlungsmaßnahmen aufgrund des aktuellen Beschwerdebildes erschöpft sind, ist ein teilstationärer Aufenthalt ratsam. Ein maßgeblicher Faktor ist dabei die Alltagsfähigkeit einer psychischen Störung. Bei der tagesklinischen Behandlung geht es vor allem darum, ob jemand in der Lage ist, seinen Alltag auch außerhalb einer knapp achtstündigen Behandlung zu gestalten. Kann er oder sie sich selbst versorgen? Gibt es einen Ansprechpartner, der vor Ort präsent ist? Kann eine funktionale Tagesstruktur auch am Wochenende einigermaßen aufrechterhalten werden? Konkret heißt das: Patient*innen für teilstationäre Behandlungen sollten fähig sein, außerhalb des tagesklinischen Rahmens ohne Eigen- bzw. Fremdgefährdungsaspekte ihren Alltag bewältigen zu können. Hinzu kommen Fälle, in denen die Akzeptanz von Patient*innen für einen vollstationären Aufenthalt noch zu gering ist. Diese Menschen wollen lieber erst einmal überprüfen, wie eine teilstationäre Behandlung abläuft. In diesen Fällen sind wir besonders dazu angehalten, regelmäßig fachärztlich festzustellen, ob eine Therapie wirklich teilstationär funktionieren kann.

 

Ist es ein Vorteil, wenn ich abends nach Hause gehen kann, oder reißt mich das zwischen den Welten hin und her?

Dennis Schmitz: Das ist je nach individueller Situation sehr unterschiedlich. Der besondere Vorteil der Tagesklinik liegt einerseits darin, dass sie trotz Therapie in Kontakt zu ihrem häuslichen Umfeld bleiben: Sie schlafen zu Hause und sind nah an Ihren Familien. Andererseits kann gerade diese Situation problematisch sein, besonders, wenn das Umfeld eher zu einer Verschlechterung der Situation beiträgt. So kann es bei heftigen Paarkonflikten beispielsweise sinnvoll sein, vorübergehend ganz aus dem konfliktträchtigen Umfeld auszusteigen, um überhaupt in die eigene Reflektion über die Situation zu kommen. Wir müssen sehr genau schauen, wie wir für eine Beruhigung der Symptomatik sorgen können. All dies besprechen wir ausführlich und transparent mit unseren Patientinnen und Patienten.

An dieser Stelle möchte ich auch noch erwähnen: Wir haben in Deutschland mittlerweile relativ hohe Alleinerziehungsraten. Und gerade für alleinerziehende Elternteile bietet die Tagesklinik ein sehr interessantes Setting, weil sie ihnen ermöglicht, die Therapie mit der Versorgung ihrer Kinder zu vereinbaren.

 

Wer entscheidet letztlich über die passende Therapieform?

Dennis Schmitz: Bereits im Vorfeld erfragt unser Beratungsteam mittels eines medizinischen Fragebogens Symptome und aktuelle Lebensumstände, beispielsweise die Arbeitsfähigkeit, die wir ärztlicherseits für eine Vorabeinschätzung als wichtig erachten. Wenn es zudem noch aussagekräftige Befundberichte oder eine Einweisung durch den behandelnden Arzt gibt, können wir in der Regel sehr gut einschätzen, ob die Patientinnen und Patienten aufgenommen werden können oder nicht.  Bei potenziell therapiegefährdenden Punkten wie Sucht-, selbstverletzendem oder suizidalem Verhalten führen wir auf jeden Fall ärztliche Erstgespräche, anhand derer wir entscheiden können, ob die Behandlung voll- oder teilstationär erfolgen sollte und ob das Gezeiten Haus-Konzept überhaupt das Passende ist. Auch während der laufenden Behandlungen überprüfen wir durch einen regelmäßigen interdisziplinären Austausch im gesamten therapeutischen Team immer wieder die Indikation und Dauer der Behandlung. Hierzu sind wir in einem intensiven Dialog mit den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen hinsichtlich der Anträge auf Kostenübernahme..

 

Welche Angebote bietet die Tagesklinik? Und wie arbeiten Sie konkret?

Dennis Schmitz: Wir bieten unseren Patientinnen und Patienten ein multimodales Setting mit professionellen, ganzheitlich und achtsamkeitsbasierten Behandlungen, die möglichst alle Sinne ansprechen. Hierbei arbeiten wir sowohl mit gesprächszentrierten als auch mit körper- und  achtsamkeitsbasierten und TCM-orientierten Ansätzen. Musiktherapeutische  und systemische  Ansätze ergänzen das Angebot. Unsere therapeutische Arbeit folgt dem Leitgedanken, stets das Passende zu tun. Um dies zu erkennen, setzen wir auf die „Begegnungsmedizin“, die alle Häuser der Gezeiten Haus-Gruppe prägt. Hier auf Schloss Eichholz sind wir im vollstationären Kontext auf Traumabehandlungen spezialisiert, insbesondere mittels des wissenschaftlich gut evaluierten Traumatherapieverfahrens EMDR. In der Tagesklinik hingegen decken wir das gesamte Spektrum der psychosomatischen Störungsbilder ab. Will heißen, wir schauen stets, welcher Zugang individuell am besten ist und wie wir eine „Störung“ optimal behandeln können.

 

Wie darf ich mir einen solche Therapie vorstellen?

Dennis Schmitz: Die Behandlung findet an den Wochentagen täglich von acht bis 17, freitags bis 16 Uhr statt. Das ist ein wenig wie bei einem Stundenplan in der Schule, der sich dann im Wochenrhythmus wiederholt. Der Therapieplan sorgt für einen festen Rahmen und strukturiert den Tag. Eingerahmt wird dieser von der morgendlichen Ankommens-Gruppe mit unserem Pflegeteam, zum Tagesausklang gibt es jeweils eine therapeutisch begleitete Achtsamkeitsübung. Über den Tag verteilt finden die oben beschriebenen Therapieformen im Einzel- bzw. Gruppensetting statt. Wichtig ist uns dabei, dass zwischen den einzelnen Therapieeinheiten immer wieder Raum für Nachklang, Innehalten und Ausruhen ist. 

 

Wie nehmen die Patient*innen die Angebote wahr?

Dennis Schmitz: Das Behandlungsangebot wird sehr gut angenommen. So loben viele Patientinnen und Patienten, wie respektvoll, empathisch und fachlich professionell wir ihnen begegnen. Als positiv wird auch empfunden, dass das gesamte Team stets über den Stand der jeweiligen Behandlung informiert ist. Dies stärkt das Gefühl der Sicherheit und des Gesehenwerdens und ist ein besonderes Merkmal unserer therapeutischen Arbeit.

Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Tagesklinik ist dabei übrigens, dass wir alle Therapeutinnen und Therapeuten in EMDR (engl.: Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ausgebildet haben. Ich glaube, es gibt bundesweit nicht viele Tageskliniken, die das bieten können. Ich halte dies auch deshalb für wichtig, weil sich das Indikationsfeld für EMDR immer mehr ausweitet. War es früher vor allem für Traumatisierungen spezifisch, so kommt die Methode heute zum Beispiel auch bei Depressionen, Sucht oder Panikattacken zum Einsatz.

 

Woher kommen die Patientinnen und Patienten der Tagesklinik?

Dennis Schmitz: Auf der Einweiserebene gibt es mittlerweile drei Hauptwege, wie Menschen zu uns kommen. Wir nehmen zum einen Patientinnen und Patienten aus einer ambulanten Behandlung auf, wenn sie dort nicht mehr ausreichend stabilisierbar, zugleich aber noch einigermaßen alltagsfähig sind. Zum anderen läuft es über Akuteinweisungen durch die Fach- oder Hausärzte sowie psychologische Psychotherapeut*innen.

Geographisch ist ein bisschen davon abhängig, wie leidensfähig der entsprechende Mensch ist. Wir hatten schon Fälle aus Rheinland-Pfalz, die täglich mehr als eine Stunde Anfahrt pro Strecke in Kauf genommen haben. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, ab einer Anfahrt von mehr als einer Stunde im Vorfeld gemeinsam zu überlegen, ob eine heimatnähere Alternative mehr Sinn macht. Im Allgemeinen kommen unsere Patient*innen aus dem Rheinland und den angrenzenden Regionen.

 

Wie lange bleiben die Menschen für eine nachhaltige Behandlung bei Ihnen?

Dennis Schmitz: Da sprechen wir meist von sechs bis acht Wochen. Je nach Ausmaß der Beschwerden kann es gerade bei ersten Behandlungen auch einmal länger sein und bis zu 16 Wochen dauern. Es braucht allein schon zwei bis drei Wochen, um wirklich bei uns anzukommen und das Team und die Therapieformen kennenzulernen sowie Vertrauen aufzubauen. Für viele unserer Patient*innen sind gruppen- oder körpertherapeutische Angebote in der Regel eher neu. Gleiches gilt für die achtsamkeitsbasierten, traditionell chinesischen Behandlungsmethoden und Angebote wie Qi Gong, Tuina, Heilkräutertherapie oder Akupunktur. Aber auch systemische Gruppenangebote wie die Skulpturgruppe, die unsere Chefärztin Dr. Susanne Altmeyer anleitet, brauchen ihre Kennenlernzeit.

 

Welche Rolle spielt das Umfeld für den Behandlungserfolg?

Dennis Schmitz: Eine große Rolle! Im Gezeiten Haus finden die Behandlungen bewusst in einem ästhetisch gestalteten und naturnahen klinischen Kontext statt. Wir wollen, dass die Menschen sich bei uns wohlfühlen und nicht das Gefühl haben, es mit einer Klinik im klassischen Sinne zu tun zu haben. Schloss Eichholz liegt als grüne Oase zwischen den Ballungsräumen Köln und Bonn. Die Klinik ist von einem naturbelassenen Waldstück umgeben. Wir nutzen daher auch die Natur als Therapieelement, sei es im Wald, mit der Gartengruppe oder auf unserem Barfußpfad. Das Ambiente ist somit Teil unseres ganzheitlichen Behandlungskonzepts.

 

Können tagesklinische Angebote auch als Nachsorge zu einem vollstationären Aufenthalt erfolgen?

Dennis Schmitz: Ja! Hier können nach der ersten Teilstabilisierung durch die vollstationäre Vorbehandlung weitere Alltagskompetenzen und Bewältigungsstrategien entwickelt werden, die anschließend eine Überleitung ins ambulante Setting ermöglichen. 

 

Kann ich als Patientientin oder Patient meinem Arzt nahelegen, in eine Tagesklinik zu wollen?

Dennis Schmitz: Selbstverständlich kann man dies mit seinem Arzt oder seiner Ärztin besprechen und sich diesbezüglich beraten lassen. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, ist das kein Problem. Dabei geht es allerdings auch um Aspekte wie die Kostenzusage seitens der Krankenkasse, die im Vorfeld individuell betrachtet werden sollte. Interessant ist übrigens, dass mittlerweile durchschnittlich fast 40 Prozent unserer Patientinnen und Patienten gesetzlich versichert sind. Wir denken oft, gesetzlich und privat, das seien zwei Welten, aber da hat sich doch einiges verändert. Ich begrüße das sehr, da unser besonderes Setting vielen Menschen unabhängig vom Versicherungsstatus zugänglich sein sollte. 

Zur Person:

Dr. Dennis Schmitz ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Zusatz analytisch orientierte Gruppenpsychotherapie und seit fast neun Jahren im Gezeiten Haus tätig. Zunächst kam er als Oberarzt, seit 2019 ist er Leitender Oberarzt. Der 43-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in Frechen bei Köln. Zudem ist er nebenbei in einer Privatpraxis tätig.

 

Zur Tagesklinik in Wesseling:

Die private Tagesklinik für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie auf Schloss Eichholz in Wesseling verfügt über 18 Behandlungsplätze. Aktuell arbeiten hier neben Chefärztin Dr. Susanne Altmeyer, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Fachärztin für Neurologie, und dem Leitenden Oberarzt Dr. Dennis Schmitz ein weiterer Stationsarzt sowie vier Psychologische Psychotherapeutinnen, drei Körpertherapeut*innen und drei Pfleger*innen. Hinzu kommt eine Gestaltungstherapeutin, die einmal in der Woche vor Ort ist.

 

Zur Tagesklinik in Oberhausen:

Eine weitere private Tagesklinik für Psychosomatik und Traditionelle Chinesische Medizin der Gezeiten Haus Gruppe mit aktuell 16 Behandlungsplätzen befindet sich in Oberhausen. Sie wird derzeit erweitert und wird voraussichtlich im Sommer 2023 an einem neuen Standort ihre Türen öffnen. Therapiekonzept und Behandlungsspektrum entsprechen bis auf wenige Ausnahmen dem der Tagesklinik auf Schloss Eichholz. Chefarzt vor Ort ist Prof. Dr. Dr. Walter Machtemes, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Philosoph und Soziologe.

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