Ein Jahresbeginn ohne Stress - wie uns das gelingen kann?

Wir sprechen mit Dr. Clemens Boehle, Chefarzt der Gezeiten Haus Klinik in Bonn darüber.

12.02.2023

LESEZEIT: 5 MINUTEN

KATEGORIE: BURN-OUT, MENTALE GESUNDHEIT

AUTOR: ELENA ETTLIN

Es ist die Zeit der guten Vorsätze: weniger Stress, mehr Zeit für mich selbst. Die Feiertage liegen hinter uns und damit auch eine Zeit des Ausnahmezustands. Weihnachtsfeiern, Glühweinabende mit Freunden, die Vorfreude auf Weihnachten und Silvester und das gemeinsame Feiern mit der Familie haben unseren Alltag über mehrere Wochen geprägt und mitbestimmt.

Aber Anfang Januar ändert sich das: Die Tage der Geselligkeit, der ausgelassenen Stimmung und des Lichterglanzes sind vorbei. Stattdessen hat uns der normale Alltag wieder. „Gerade der Jahresbeginn stellt viele Menschen vor große Herausforderungen“, erklärt Dr. Clemens Boehle, Chefarzt im Gezeiten Haus Bonn, in der seit fast 20 Jahren Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen behandelt werden. „Denn die Probleme, die während der Feiertage erfolgreich verdrängt werden konnten, sind plötzlich wieder allgegenwärtig und prägen erneut den Alltag der Menschen."

Oftmals beschränkt sich das nicht nur auf das Privatleben. Auch im Beruf sieht sich manch einer einem schier unüberwindbaren Berg an Hindernissen gegenüber, wenn das neue Jahr gerade erst begonnen hat. „Viele Menschen fassen insbesondere zum Jahreswechsel den Vorsatz, sich weniger Stress im Beruf zu machen und sich dafür mehr um sich selbst zu kümmern. Sie starten motiviert und mit hohen Erwartungen in das neue Jahr“, erklärt Dr. Boehle. „Oft merken sie dann aber bereits nach wenigen Tagen und Wochen, dass sich ihre Vorsätze nicht alle gleich umsetzen lassen und dass sich im Vergleich zum Vorjahr eigentlich nichts geändert hat. Sie stellen fest, dass der Stress nicht weniger geworden ist und die Anforderungen, die sie an sich selbst haben, eigentlich viel zu hoch sind.“ Die Folgen liegen auf der Hand: „Viele Menschen fühlen sich ausgebrannt, noch bevor das Jahr richtig begonnen hat. Sie haben Angst, zu versagen“, erklärt Dr. Boehle. „Diese Angst setzt die Menschen noch weiter unter Druck. Oft ist es dieses Zusammenspiel von Angst, Druck und zu hohen Anforderungen, das schließlich nicht mehr selbst bewältigt werden kann.“

Damit dieser Stress nicht krankmacht oder gar bis zu einem Burnout führt, sei besonders eines wichtig, wie Dr. Boehle betont: „Viele Menschen müssen erst wieder lernen, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. In einem stressigen Berufsalltag fällt das oft schwer. Die Pausenlosigkeit der heutigen Zeit bewirkt bei vielen Menschen, dass sie ihre Körpersignale gar nicht mehr richtig deuten können.“ Was aber hilft, um Stress und Druck zum Jahresbeginn abzubauen und so vielleicht die Grundlage für einen weniger hektischen Berufsalltag zu schaffen?

„Auch im neuen Jahr ist es wichtig, das eigene soziale Netz außerhalb der Arbeit nicht zu vergessen. Vielen Menschen hilft es, wenn sie nach der Arbeit Freunde treffen oder gemeinsam mit anderen einem Hobby frönen und dabei Spannung abbauen und gleichzeitig dafür sorgen, dass nicht allein das Arbeitsleben den Alltag prägt", empfiehlt der erfahrene Chefarzt. „Was dem Einzelnen guttut, muss jeder für sich selbst entscheiden. Denn einige Menschen können Stress abbauen, indem sie über ihre Sorgen und Nöte sprechen. Anderen hilft es hingegen, meditativ zu schweigen.“

Aber auch regelmäßige Bewegung wie beispielsweise längere Spaziergänge in der Natur oder Qi Gong Übungen seien häufig ein guter Weg, um wieder ein gesundes Körperbewusstsein zu entwickeln und die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. „Auf diese Weise kann es gelingen, den Vorsatz, weniger Stress zu haben, tatsächlich umzusetzen“, dies geschieht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern ist ein längerer Prozess, dem wir eine Chance geben sollten.“

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